Woran es liegt …
… dass wir immer weniger Singvögel beobachten können? Nun ich habe an dieser Stelle in der letzten Woche einige Ursachen aufgezeigt. Wie aber sollen diese gewichtet werden, und wie wirken sich diese Ursachen im Zusammenhang aus? Da war zuvorderst die Rede von den Vogelfängern im Maghreb. Aber nicht nur in Nordafrika werden Singvögel auf ihren Zügen in die Winterquartiere in Zentral- und Südafrika gefangen, sondern der Aderlass beginnt schon hier bei uns in Europa. Und genau wie im Maghreb begründet sich der Vogelfang auch in den Mittelmeerländern wie Italien, Griechenland, Malta, Südfrankreich und – und – und … auf „Traditionen“, die, weil seit Jahrhunderten oder sogar seit Jahrtausenden ein Teil der Kultur in den jeweiligen Ländern, trotz Artenschutzabkommen nicht hinterfragt werden. Einige Länder geben sogar immer noch Sondergenehmigungen in großem Umfang für die Jagd auf bestimmte Vogelarten aus, wobei eine Überprüfung der Fänge natürlich unterbleibt, sodass auch Vögel, für die keine Genehmigung vorliegt, ebenfalls in den Bratpfannen der „Gourmets“ landen.
Aber zeigen wir nicht mit den Fingern auf die Mittelmeer-Anrainer. Auch bei uns, in den Ländern nördlich der Alpen, werden noch lustig Vögel gefangen, oder sinnlos abgeschossen, wenn auch nicht in dem Umfang wie im Süden. Wer kennt schon die französische Tradition des Fettammern-Essens, bei der gefangene Ammern (Ortolane) in kleinen Käfigen gehalten werden, man ihnen die Augen aussticht (sie fressen dann unablässig) und mästet, bis deren Gewicht auf das fast dreifache gewachsen ist, die Vögel dann in Armagnac ersäuft (damit sich die Lungen mit dem Schnaps füllen!), um dann von sogenannten „Feinschmeckern“ in traditionellen Gelagen, die Köpfe über den Tellern mit weißen Laken bedeckt, damit der Duft der fragwürdigen Speise nicht verloren geht, „genossen“ werden? Und in einem deutschen Kochbuch „Der neuzeitliche Haushalt“ aus dem Jahr 1971, das ist noch keine fünfzig Jahre her, finde ich Rezepte von Wachtel, Krammetsvogel (Wacholderdrossel) und Eichelhäher.
Wer weiß schon vom „traditionellen“ Vogelfang in der Steiermark, für den Jedes Jahr hunderte von Lizenzen ausgegeben werden. Die Vögel werden zwar nicht verspeist, aber in Käfigen gehalten um in der Weihnachtszeit ausgestellt zu werden. Ja, und welche Tierliebe aber auch! Die Vögel, die diese Tortur überleben, werden dann nach dem Winter wieder freigelassen. Dumm nur, dass viele davon im Verlauf ihrer Gefangenschaft verlernt haben, ihr Futter selbst zu suchen und zu finden. Den Rest, liebe Leserinnen und Leser, können Sie sich denken.
Die weitaus meisten Vögel müssen allerdings südlich der Alpen ihr Leben in einem Kochtopf beenden. Allein in Italien und Frankreich werden jährlich Millionen von Feldlerchen, Drosseln und Kiebitzen offiziell zum Abschuss freigegeben, wie das Komitee gegen den Vogelmord mitteilt. Es ist noch verständlich, dass in früheren Zeiten, als dort in den ländlichen Regionen große Armut herrschte, und der Hunger ein täglicher Begleiter der Menschen war, Vögel aus den großen Vogelzügen mit Leimruten, Fallen und Netzen gefangen wurden, um den kargen Speiseplan mit etwas anzureichern. Heute besteht da sicher keine Notwendigkeit mehr dazu, und doch ist es in Italien immer noch fast ein Volkssport, Singvögel vom Himmel zu ballern. Heute gelten Singvögel nur noch als teure Leckereien für sogenannte Feinschmecker.
Vincenzo, ein über siebzigjähriger ehemaliger Vogeljäger, schwärmt heute noch:
„Ich habe schon immer Vögel gegessen. Und ich sage Ihnen, sie schmecken einfach himmlisch, vor allem gedünstet … Meine Oma, sie möge in Frieden ruhen, hat einmal an einem einzigen Abend 700 Vögel gerupft. Danach bleibt eigentlich kaum etwas übrig. Man schneidet sie einfach in zwei Teile und isst sie in zwei Happen."
Müssen die Vögel über Zypern und vor allem Ägypten reisen, dann sieht die Sache für sie noch viel schlimmer aus. Mit hohen Stellnetzen, heutzutage aus Nylon, fängt ein einziger Vogelfänger leicht bis zu 700 Singvögel täglich. Das Stück für 1 bis 1,5 Euro verkauft, verschafft ihm in den 2 Vogelzug-Monaten im Herbst einen Verdienst von über 70 000 Euro. Nach einer Dokumentation des Bayerischen Rundfunks stehen in den besagten Monaten an der Mittelmeerküste von Libyen bis auf den Sinai Stellnetze in einer Länge von über 700 Kilometern. Lars Lachmann, Vogelexperte des NABU, hält Auswirkungen des Vogelfangs in Ägypten auf die europäischen Brutbestände für sehr wahrscheinlich: „Die Mehrheit unserer Vogelarten hat schon bei uns mit Lebensraumverlust oder den Auswirkungen des Klimawandels zu kämpfen, so etwa Fitis, Nachtigall, Steinschmätzer oder Ziegenmelker. Diese Arten können dem massiven Fang, wie wir ihn in Ägypten sehen, nichts mehr entgegensetzen, sie werden ohne Zweifel noch stärker zurückgehen.“
Quellen:
Komitee gegen den Vogelmord e.V. www.komitee.de; NABU Deutschland; http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-32274941.html
Auf Bilder, verehrte Leserschaft, verzichte ich heute, und Sie können sich auch denken warum. Wenn Sie mehr über dieses grausige Thema wissen möchten, dann empfehle ich Ihnen, einfach einmal „Freund Google“ zu Rate zu ziehen. Geben Sie ruhig einmal „Vogeljagd“, „Singvogeljagd“ oder „Fettammern“ ein, und das Desaster ist bei Ihnen auf dem Bildschirm, und Sie werden noch viel mehr finden!
Ulrich Kipp
… dass wir immer weniger Singvögel beobachten können? Nun ich habe an dieser Stelle in der letzten Woche einige Ursachen aufgezeigt. Wie aber sollen diese gewichtet werden, und wie wirken sich diese Ursachen im Zusammenhang aus? Da war zuvorderst die Rede von den Vogelfängern im Maghreb. Aber nicht nur in Nordafrika werden Singvögel auf ihren Zügen in die Winterquartiere in Zentral- und Südafrika gefangen, sondern der Aderlass beginnt schon hier bei uns in Europa. Und genau wie im Maghreb begründet sich der Vogelfang auch in den Mittelmeerländern wie Italien, Griechenland, Malta, Südfrankreich und – und – und … auf „Traditionen“, die, weil seit Jahrhunderten oder sogar seit Jahrtausenden ein Teil der Kultur in den jeweiligen Ländern, trotz Artenschutzabkommen nicht hinterfragt werden. Einige Länder geben sogar immer noch Sondergenehmigungen in großem Umfang für die Jagd auf bestimmte Vogelarten aus, wobei eine Überprüfung der Fänge natürlich unterbleibt, sodass auch Vögel, für die keine Genehmigung vorliegt, ebenfalls in den Bratpfannen der „Gourmets“ landen.
Aber zeigen wir nicht mit den Fingern auf die Mittelmeer-Anrainer. Auch bei uns, in den Ländern nördlich der Alpen, werden noch lustig Vögel gefangen, oder sinnlos abgeschossen, wenn auch nicht in dem Umfang wie im Süden. Wer kennt schon die französische Tradition des Fettammern-Essens, bei der gefangene Ammern (Ortolane) in kleinen Käfigen gehalten werden, man ihnen die Augen aussticht (sie fressen dann unablässig) und mästet, bis deren Gewicht auf das fast dreifache gewachsen ist, die Vögel dann in Armagnac ersäuft (damit sich die Lungen mit dem Schnaps füllen!), um dann von sogenannten „Feinschmeckern“ in traditionellen Gelagen, die Köpfe über den Tellern mit weißen Laken bedeckt, damit der Duft der fragwürdigen Speise nicht verloren geht, „genossen“ werden? Und in einem deutschen Kochbuch „Der neuzeitliche Haushalt“ aus dem Jahr 1971, das ist noch keine fünfzig Jahre her, finde ich Rezepte von Wachtel, Krammetsvogel (Wacholderdrossel) und Eichelhäher.
Wer weiß schon vom „traditionellen“ Vogelfang in der Steiermark, für den Jedes Jahr hunderte von Lizenzen ausgegeben werden. Die Vögel werden zwar nicht verspeist, aber in Käfigen gehalten um in der Weihnachtszeit ausgestellt zu werden. Ja, und welche Tierliebe aber auch! Die Vögel, die diese Tortur überleben, werden dann nach dem Winter wieder freigelassen. Dumm nur, dass viele davon im Verlauf ihrer Gefangenschaft verlernt haben, ihr Futter selbst zu suchen und zu finden. Den Rest, liebe Leserinnen und Leser, können Sie sich denken.
Die weitaus meisten Vögel müssen allerdings südlich der Alpen ihr Leben in einem Kochtopf beenden. Allein in Italien und Frankreich werden jährlich Millionen von Feldlerchen, Drosseln und Kiebitzen offiziell zum Abschuss freigegeben, wie das Komitee gegen den Vogelmord mitteilt. Es ist noch verständlich, dass in früheren Zeiten, als dort in den ländlichen Regionen große Armut herrschte, und der Hunger ein täglicher Begleiter der Menschen war, Vögel aus den großen Vogelzügen mit Leimruten, Fallen und Netzen gefangen wurden, um den kargen Speiseplan mit etwas anzureichern. Heute besteht da sicher keine Notwendigkeit mehr dazu, und doch ist es in Italien immer noch fast ein Volkssport, Singvögel vom Himmel zu ballern. Heute gelten Singvögel nur noch als teure Leckereien für sogenannte Feinschmecker.
Vincenzo, ein über siebzigjähriger ehemaliger Vogeljäger, schwärmt heute noch:
„Ich habe schon immer Vögel gegessen. Und ich sage Ihnen, sie schmecken einfach himmlisch, vor allem gedünstet … Meine Oma, sie möge in Frieden ruhen, hat einmal an einem einzigen Abend 700 Vögel gerupft. Danach bleibt eigentlich kaum etwas übrig. Man schneidet sie einfach in zwei Teile und isst sie in zwei Happen."
Müssen die Vögel über Zypern und vor allem Ägypten reisen, dann sieht die Sache für sie noch viel schlimmer aus. Mit hohen Stellnetzen, heutzutage aus Nylon, fängt ein einziger Vogelfänger leicht bis zu 700 Singvögel täglich. Das Stück für 1 bis 1,5 Euro verkauft, verschafft ihm in den 2 Vogelzug-Monaten im Herbst einen Verdienst von über 70 000 Euro. Nach einer Dokumentation des Bayerischen Rundfunks stehen in den besagten Monaten an der Mittelmeerküste von Libyen bis auf den Sinai Stellnetze in einer Länge von über 700 Kilometern. Lars Lachmann, Vogelexperte des NABU, hält Auswirkungen des Vogelfangs in Ägypten auf die europäischen Brutbestände für sehr wahrscheinlich: „Die Mehrheit unserer Vogelarten hat schon bei uns mit Lebensraumverlust oder den Auswirkungen des Klimawandels zu kämpfen, so etwa Fitis, Nachtigall, Steinschmätzer oder Ziegenmelker. Diese Arten können dem massiven Fang, wie wir ihn in Ägypten sehen, nichts mehr entgegensetzen, sie werden ohne Zweifel noch stärker zurückgehen.“
Quellen:
Komitee gegen den Vogelmord e.V. www.komitee.de; NABU Deutschland; http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-32274941.html
Auf Bilder, verehrte Leserschaft, verzichte ich heute, und Sie können sich auch denken warum. Wenn Sie mehr über dieses grausige Thema wissen möchten, dann empfehle ich Ihnen, einfach einmal „Freund Google“ zu Rate zu ziehen. Geben Sie ruhig einmal „Vogeljagd“, „Singvogeljagd“ oder „Fettammern“ ein, und das Desaster ist bei Ihnen auf dem Bildschirm, und Sie werden noch viel mehr finden!
Ulrich Kipp